Echte Zahlen, echte Wertschätzung

Angesichts des Fachkräftemangels sollten Unternehmen sich auf dem Jobmarkt so präsentieren, dass sie Talente und deren Auswahlkriterien ansprechen. Bei einem Thema hakt es aber immer noch. So können Sie das ändern und daraus Vorteile ziehen.

Wo Stellenanzeigen schweigen

Stellen Sie sich vor, Sie sind auf Jobsuche und scrollen durch Stellenanzeigen. Weil Arbeitskräfte fehlen, finden Sie eine große Auswahl an Inseraten; also sortieren Sie mal grob aus, welches Unternehmen für Sie in Frage kommen kann und welches nicht. Als Kriterien für diese erste Selektion suchen Sie nach Ihren erwünschten Benefits wie zum Beispiel Arbeitsplatzsicherheit, flexible Arbeitszeiten und Home Office, Unternehmenskultur, Gehalt, Karrieremöglichkeiten, kurze Fahrzeiten oder Nachhaltigkeit. Über alle Punkte, bis auf einen, finden Sie vielfältige Informationen in den Stellenanzeigen oder auf den Webseiten, wo sich die Firmen mit Videos und Testimonials als attraktive Arbeitgeber präsentieren.

Jedoch über einen Punkt schweigen die meisten ihrer potenziellen Arbeitgeber, nämlich über das tatsächliche Gehalt. Denn darüber wird in Österreich nicht gerne offen gesprochen.

Was Jobsuchende interessiert

Laut derzeit gültigen Vorschriften ist dieses Schweigen legitim, denn in Stelleninseraten muss nur das kollektivvertragliche oder durch Gesetz oder andere Normen der kollektiven Rechtsgestaltung festgelegte Mindestentgelt angegeben werden. Jobsuchende finden daher Formulierungen wie: „Verhandlungsbasis: € … brutto Monatsgehalt mit Bereitschaft zur Überzahlung.“

Wären Sie bei der Jobsuche mit dieser Auskunft zufrieden? Nein, nicht wirklich. Denn natürlich ist für Sie ein wichtiges Entscheidungskriterium, was Sie verdienen werden. Geld ist nun mal eine zählbare Wertschätzung für Leistung. Ein Inserat mit Gehaltsspanne spricht Sie da mehr an, zum Beispiel: „Wir bieten zwischen 3.200 und 3.600 Euro brutto monatlich“. Bei jenen Firmen, die das Gehalt der ausgeschriebenen Position im Inserat möglichst transparent angeben, werden Sie sich daher als erstes bewerben.

Vorteile von Gehaltstransparenz im Recruiting

Tagtäglich geht es vielen Jobsuchenden so, sowohl wenn sie Stellenanzeigen durchforsten, als auch in Bewerbungsgesprächen: Es wird über viel gesprochen und oft am Schluss erst über das Gehalt. Wenn Arbeitgeber jedoch dieses weit verbreitete Vorgehen ändern, steigen die Erfolgschancen:

  • Transparenz beim Gehalt in Job-Inseraten und in Recruiting-Gesprächen ist ein Zeichen für eine faire und offene Unternehmenskultur. Das beeinflusst die Candidate-Experience positiv und stärkt die Arbeitgebermarke. Talente sind motivierter sich zu bewerben, bzw. sich für die ausgeschriebene Position zu entscheiden.
  • Stellensuchende können unmittelbar feststellen, ob das angebotene Gehalt ihren Vorstellungen entspricht. Das spart beiden Seiten Aufwand und Zeit. Es reduziert auch die Zahl von frustrierenden Bewerbungsabbrüchen, die nach guten längeren Gesprächen letztendlich am Gehalt scheitern.
  • Diskriminierungen aufgrund von Geschlecht, Alter oder Herkunft werden vermieden, wenn das Gehalt von vornherein fix in der Stellenanzeige steht.

Transparenz Richtlinie Artikel 5

Es gibt viele Nutzenargumente, warum Unternehmen Gehaltsinformationen im Recruiting offen darlegen und dazu die notwendigen Grundlagen schaffen sollten. Spätestens ab Juni 2026 wird dies dann zur Pflicht: Um Lohnungerechtigkeiten zu vermeiden, die sich zumeist als Gender Pay Gap für Frauen negativ auf ihr Gehalt und in der Folge auf ihre Pension auswirken, müssen laut EU-Entgelttransparenz-Richtlinie 2023/970 künftig Gehälter transparent kommuniziert werden. Die Regelung gilt sowohl intern gegenüber den Angestellten (siehe dazu den Blog: EU-Entgelttransparenz-Richtlinie), als auch extern gegenüber Jobsuchenden.

Für den Recruiting-Prozess legt Artikel 5 der neuen EU-Richtlinie (die bis 7.6.2026 in nationales Recht umgesetzt werden muss) fest,

  • worüber mit der Bewerberin oder dem Bewerber klar kommuniziert werden muss: Das auf objektiven, geschlechtsneutralen Kriterien basierende Einstiegsgehalt und mögliche Spannen ist im Voraus transparent zu machen; ebenso, ob ein Kollektivvertrag anzuwenden ist;
  • worüber nicht mehr gesprochen werden darf: Fragen zum früheren Gehalt oder der Lohnentwicklung dürfen im Bewerbungsgespräch nicht gestellt werden.

Damit sollen transparente, fundierte und nichtdiskriminierende Verhandlungen über das Entgelt gewährleistet werden.

Tipps zur Umsetzung im Recruiting

Tipp 1 Struktur: Befassen Sie sich rechtzeitig mit der Entgelttransparenz-Richtlinie und schaffen Sie eine interne Gehaltsstruktur, wo gleiche bzw. gleichwertige Funktionen, Jobs oder Rollen in zusammengehörigen Gruppen abgebildet sind. Diese Struktur können Sie dann für Ihre Job-Inserate nutzen, um das Einstiegsgehalt und eine mögliche Gehaltsspanne für die ausgeschriebene Stelle anzugeben. Damit verhindern sie eventuelle Unklarheiten.

Tipp 2 Kultur: Gerade zu Beginn stehen viele vor der Herausforderung einer kulturellen Umstellung, denn der Grundsatz „Über Geld spricht man nicht“ hält sich hartnäckig. Niemand muss gleich von Beginn an perfekt sein, versuchen Sie schrittweise größtmögliche Offenheit zu schaffen. Führen Sie Gehaltsgespräche glaubwürdig, damit die Jobsuchenden erkennen, dass Ihrem Unternehmen Transparenz und Gleichbehandlung wichtig sind. Es lohnt sich für alle Seiten.

Lasst Zahlen sprechen

Noch immer Zweifel, ob Sie mit transparenten Gehaltszahlen im Recruiting erfolgreich sind? „Unternehmen können es sich nicht leisten, durch fehlende Gehaltsangaben auf passende Kandidat*innen zu verzichten“, sagt Tobias Zimmermann vom Karriereportal Stepstone und seine Zahlen unterstreichen, dass Transparenz den Ausschlag gibt:

  • 86 % denken positiver über einen Arbeitgeber mit transparenten Gehaltsangaben​
  • 86 % bewerben sich eher auf eine Stelle mit Gehaltsangabe
  • 50 % haben sich nicht beworben, weil die Gehaltsangabe fehlte
  • 76 % sagen, das Gehalt ist ausschlaggebend dafür, ob ein Jobangebot interessant erscheint
  • 63 % sagen, dass das Gehalt der wichtigste Faktor eines Stellenangebots ist
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