KI hat die Personalsuche bereits verändert
Klassische Methoden haben in Zeiten des Arbeitskräftemangels ausgedient, HR-Teams stellen mit dem Einsatz von Künstlicher Intelligenz die Personalauswahl auf neue Beine. Schneller, datenbasierter und objektiver – was man sich allgemein von KI erhofft, das erhofft man sich auch im Recruiting: Verkürzte Time-to-Hire, passgenauere Auswahl, weniger Fehlbesetzungen und damit geringere Kosten. Wie HR-Teams aus Österreich KI im Recruiting nutzen, hat eine aktuelle Studie der RTR abgefragt (Punkt 3.3 im PDF):
- 66 % Erstellen von Stellenanzeigen
- 52 % Schalten von zielgruppenspezifischen Stellenanzeigen
- 25 % Beurteilung bzw. Vorauswahl von Bewerbenden
- 23 % Auskünfte erteilen oder Informationen von Jobsuchenden holen
- 22 % Übersetzung oder Zusammenfassung von Bewerbungen oder Bewerbungsgesprächen
- 15 % Interview-Assistent zur Erstellung von personalisierten Fragen
Nutzenpotenzial erkennen …
Der große Zuspruch wurde durch den vielfältigen Nutzen von KI im Recruiting ausgelöst:
- Repetitive und administrative Aufgaben werden automatisiert, gerade bei hohen Bewerberzahlen kann effizient vorselektiert werden. Das bringt dem HR-Team mehr Zeit für persönliche Gespräche in der Bewerberauswahl, so können teure Fehlbesetzungen reduziert werden, etwa bei der Entscheidung für Führungs- oder Fachkräfte.
- Unbewusste Vorurteile von Menschen können durch Maschinen reduziert werden (sofern kein Bias in den Trainingsdaten des KI-Systems besteht) und das kann die Diversität im Unternehmen fördern.
- Ein beschleunigter und strukturierter Auswahlprozess ermöglicht der Personalabteilung, den Jobsuchenden schneller und regelmäßig Feedback zu geben (Stichwort: Candidate Journey) und das zählt wiederum als Pluspunkt für eine attraktive Arbeitgebermarke.
… und Risiken abwägen
KI ist ein mächtiges Werkzeug, daher sollte HR ebenso die Risiken beleuchten:
- Lebensläufe und Bewerberdaten sind sensibel und die DSGVO muss eingehalten werden; manche KI-Systeme könnten jedoch Daten an Server außerhalb der EU weitergeben. Oft fehlt es im Unternehmen auch an Know-how, wie KI eingesetzt werden kann: HR sollte sich Expertenwissen dazuholen und muss außerdem laut AI-Act mit Schulungen sicherstellen, dass Personen KI-Kompetenz haben, um mit solchen Systemen arbeiten zu können. Mit 8.2025 treten weitere Bestimmungen des AI-Act in Kraft, etwa Geldstrafen.
- Intransparente KI-Entscheidungen können zu Misstrauen führen, dass das System mit diskriminierenden Daten in Bezug auf Geschlecht, Alter oder Herkunft trainiert wurde (Bias). Trainingsmaterial muss daher auf ethische und moralische Aspekte geprüft werden. Auch muss ein Mensch die Kontrolle haben, denn laut DSGVO sind automatisierte Entscheidungen über eine Person nicht erlaubt.
- Zu viel automatisierte Kommunikation kann distanziert wirken und hätte damit einen negativen Einfluss auf die Candidate Journey.
Lesetipp, wenn Sie tiefer in das Thema eintauchen wollen: „KI im Recruiting auf dem Prüfstand“ von Prof. Sabine Theresia Köszegi, Institutsvorständin für Managementwissenschaften an der TU Wien (siehe RTR-Studie auf Seite 42).
Die Bewerberseite nützt auch KI – mit durchwachsenem Erfolg
Nicht nur das Recruiting-Team, auch Jobsuchende nutzen KI, denn sie setzen ebenso auf Effizienz; das hat eine Umfrage der Job-Plattform Stepstone ergeben:
- Mehr als jede zweite Bewerbung (58 %) wird mit KI erstellt.
- 72 % der Befragten aus dem Recruiting loben das professionellere Erscheinungsbild der Unterlagen durch den Einsatz von KI.
- 80 % der Recruiting-Verantwortlichen jedoch bewerten eingehende Bewerbungen als höchstens mittelmäßig, mit folgenden Begründungen:
- 63 % geben an, dass Bewerbungsunterlagen in Zeiten von KI weniger individuell auf die ausgeschriebenen Stellen angepasst sind. Viele Bewerbungen erfolgen „auf gut Glück“;
- 68 % empfinden Bewerbungen als weniger authentisch.
„In Rekordzeit können Bewerber*innen heute maßgeschneiderte Bewerbungsunterlagen von hoher Qualität erstellen, wenn sie KI entsprechend nutzen“, urteilt Nikolai Dürhammer, Geschäftsführer von Stepstone Österreich und Schweiz. Auch bei der Karriereplanung, der Informationsbeschaffung über Arbeitgeber oder der realistischen Einschätzung der eigenen Fähigkeiten könne KI gut unterstützen, aber: „Die bloße Nutzung von KI garantiert noch lange keinen Erfolg. Eine Flut von oberflächlich optimierten Bewerbungen führt lediglich zu einer Flut von Ablehnungen.“ Denn Faktoren wie Authentizität, relevante Praxiserfahrung und eine klar erkennbare Motivation entscheiden letztendlich über eine Jobzusage.
Wird KI künftig KI rekrutieren?
Zugegeben: Das klingt nach schräger Zukunftsphantasie, aber die aktuellen Befragungen lassen unwillkürlich diese Frage aufkommen. Doch gerade die Personalabteilung weiß: Menschen sollten Menschen rekrutieren. Denn über den wirtschaftlichen Erfolg jeder Firma entscheidet eine gut ausgebildete motivierte Belegschaft, die zur Unternehmenskultur passt. Wie bei fast allen neuen Technologien oder Tools fährt man daher mit folgender Strategie am besten: dem Hype nicht unreflektiert folgen, sondern einen sachdienlichen Zugang wählen, wie KI im Recruiting sinnvoll und gesetzeskonform genutzt werden kann.
3 Tipps: So bleibt der Faktor Mensch im KI-unterstützen Recruiting erhalten
1. KI-Effizienz trifft auf menschliche Kontrolle: Automatisiertes Screening von Bewerbungen ist ein effizienter erster Filter für die Vorauswahl, der Zeit sparen hilft.
-> Bedenken Sie aber, dass KI stark im Erkennen von „normalen Mustern“ ist, aber schwach im Erkennen von Außergewöhnlichem. Ergänzen Sie das KI-Matching durch Kontrollen des Recruiting-Teams, um nichtlineare Lebensläufe oder Quereinsteigende nicht von vornherein auszuschließen.
2. KI-Bewerbungen treffen auf menschliche Fragen: Jobsuchende verbessern mit KI ihre Lebensläufe und Bewerbungsschreiben.
-> Um unauthentische Standardtexte zu vermeiden, fragen Sie in der Stellenausschreibung konkret nach spezifischen beruflichen Erfahrungen und persönlicher Motivation für genau diesen Job und genau Ihr Unternehmen.
3. KI-System trifft auf menschliche Autonomie: Menschen neigen dazu, KI-Entscheidungen zu vertrauen, auch wenn diese zu einem schlechteren Ergebnis führen.
-> Bedenken Sie, dass KI tendenziell die Vergangenheit fortschreibt und die Zukunft nicht neugestalten oder erfinden kann (denn kreativ sein können nur wir Menschen). Sehen Sie KI daher als Unterstützung, aber bewahren Sie Ihre Selbstwirksamkeit und Ihre Verantwortung, eigenständig zukunftsorientierte Personalentscheidungen zu treffen.